Nun hat es also Rico Rossi erwischt. Auch der Italo-Kanadier ist ein Opfer der neuen Tradition, dass Trainer, die in Dresden die Vorbereitung gestalten, Silvester nicht mehr im Amt feiern. (Molling, Gratton, Rossi)
Sportlich kann man den Schritt nachvollziehen, aber betrachtet man die letzten Jahre, bleiben doch einige Fragezeichen bestehen. War zuletzt von langfristigen Konzepten und Kontinuität die Rede, werden plötzlich doch kurzfristige Lösungen priorisiert. Rossi passte also wohl grundsätzlich nicht in die Idee der Zukunft.
Der Kader bleibt dagegen als strukturelle Baustelle bestehen. Weder Rossi, noch Stichnoth hatten, zumindest wenn man den Phrasen glaubt, dass Kader der neuen Saison bereits im Spätherbst gemacht werden, einen großen Einfluss auf den Kader, stellte dieser sich aufgrund vieler Langzeitverträge und Mangels Alternativen doch überwiegend selbst auf.
Zudem bot Corona ein schwieriges Vertragsbild. Erst während der Saison war es möglich, auf Fixpositionen nachzubessern. Doch Trupp, Ranta und Supis sind bislang nicht oder nur partiell die erhofften Verstärkungen. Zudem hängen einige Topspieler im Leistungskeller fest oder liefern die gewohnten Leistungsschwankungen. So musste also im unruhigen Dresden mal wieder ein Bauernopfer präsentiert werden, obwohl man doch Geduld haben und junge Spieler entwickeln wollte, statt erneut großspurig die Top Sechs anzuvisieren. Selbst Corona, die fehlende Aufstiegsmöglichkeit und die ohnehin fehlenden Zuschauereinnahmen verhinderten jedoch nicht den üblichen Mechanismus der Flickschusterei der letzten Jahre, als Folge noch viel älterer Fehlentwicklungen.
Natürlich gilt Rossi als harter Typ, der immer wieder auch Spieler spüren lässt, wenn er unzufrieden ist, aber wollte man nicht aus der Wohlfühloase der letzten Jahre ausbrechen und Spieler mehr fordern? Stichnoth kam erst nach Rossi, somit ist natürlich möglich, dass man unterschiedliche Ansichten vertritt, doch als man nach dem Playoffeinzug die Verlängerung verkündete, schien dies noch kein Thema zu sein.
Es ist wie es ist. Rossi hat zwar aus der schlechtesten Defensive der Liga die immerhin zehntbeste gemacht, mit Tuchfühlung zur Top Sechs, doch offensiv ist das Experiment, drei Torjäger nicht adäquat zu ersetzen, trotz der guten Entwicklung von beispielsweise Knobloch und Trattner gescheitert, zumindest wenn man halt doch einen höheren Anspruch verfolgt, als vorab geäußert. 30 Tore in 14 Spielen sind einfach zu wenig, ebenso das nur ein Topstürmer beständig seine Leistung zeigt. Erstaunlich, dass man mit einer derart schwachen Ausbeute überhaupt vier Siege und 11 Zähler generieren konnte und noch mehr möglich war. 30 Siege in 64 Partien waren am Ende für Rossi zu wenig, um ein Bleiberecht zu erwirken. Wenigstens darf er, anders als seine Vorgänger, als Sieger gehen.
Apropos Sieger-Gen. Vielleicht sollte man Rossi als First-Period-Coach installieren. Das erste Drittel lief ja oft gut. Dann braucht es nur noch zwei weitere Schichtarbeiter und die Liga zittert. Im Ernst, nach zwei Spielzeiten mit Monsterkadern, die in der Hauptrunde erst zur Halbzeit aufwachten, war dieses Mal abzusehen, dass man es schwer haben wird, in der oberen Hälfte der Tabelle zu wandeln. Die These der großen Namen im Kader hinkt doch schon lange, wenn man auf die anderen Teams schaut. Jeder DEL2-Club kann mittlerweile mit einer Fülle an starken Namen aufwarten, besonders in diesen Coronazeiten, während Dresden eher abgespeckt hat.
Der kurzfristige Spielausfall in Frankfurt kommt jetzt also gerade ganz recht, wenn man bedenkt, dass sich zeitnah ein neuer Mann einarbeiten muss. Wieder ein neuer Trainer, wieder einer, der nicht mit dem Kader arbeitet, den er selbst zusammenstellen würde, wieder die gleiche Maßnahme. Ob sie ein weiteres mal genügt, um sportlich die Kurve zu bekommen, ist denkbar. Doch es bleibt zu hoffen, dass es vor allem endlich mal langfristig die richtige Entscheidung zur Folge hat. Andernfalls steht der nächste Trainerwechsel jetzt schon fest.
Es gab in jüngerer Zeit zwei Konstanten hinter der Bande bei den Eislöwen. Jiri Kochta (5 Jahre im Amt) und Thomas Popiesch (7 Jahre im Amt). Auf diese zwei Konstanten folgte jeweils ein heftiges Trainer-Karussell. Nach Kochta gab es mit Mikes, Hurtik, Keresztes, Berwanger und Tabor fünf Trainer in drei Jahren. Es folgte Glücksgriff Popiesch, der sich irgendwann aber auch abgenutzt hatte und seither kreiselt es wieder regelmäßig. Stewart wollte nicht länger, die Nachfolger durften nicht länger. Seit 2017 waren das Steer, Molling, Gratton und Rossi... Gibt es nun nach fünf Schnellschüssen also wieder einen, der (länger) sitzt? Man könnte auch sagen, hätte man vor zwei Jahren Steer nicht ohne Not für Molling geopfert, hätte man sich vielleicht einige Unruhe ersparen können, aber das Kind ist längst in den Brunnen gefallen.
Wer will, wer will, wer hat noch nicht? Wer setzt sich freiwillig auf den Schleudersitz? In Dresden musst du bekanntlich gleichzeitig Entertainer, Erfolgstrainer, Menschenfänger, Emotionsmonster und Ausbilder sein. Dazu sollte man entweder in Eislöwenbettwäsche geschlafen, DDR-Vergangenheit oder einen Hang zu Hubbabubba haben, bzw. tschechischer Abstammung sein, um direkt von den Fans akzeptiert zu werden. Man darf also gespannt sein, wer sich die Aufgabe zutraut bzw. antun wird. Vielleicht einer, der nix für Silvesterfeiern übrig hat.
Brockmann, Pavlov, Boisvert, Ehrenberger, Reiss, Kleinendorst, Beaulieu, Hoffmann oder wer es auch immer wird: Viel Glück.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen